© Anton Prock 2016
“Das wahre Licht kam in die Welt.” (Joh. 1,9) - Christus = Licht
Licht gilt als Gabe Gottes, Gott zeigt sich im Licht. Für die
Gelehrten des 12. und 13. Jh. war das Licht die Quelle aller
sichtbaren Schönheit, das eigentliche Sein hinter allen sichtbaren
Erscheinungen. Das Licht selbst ist ja unsichtbar, aber es bringt
alle Dinge aus dem Dunkel der Unsichtbarkeit zum Erscheinen. Je
heller und klarer uns die Dinge erscheinen, desto mehr lassen sie
das eigentliche Wesen des Seins aufscheinen.
Für Plato ist das Licht der “Schöpfer der Sichtbarkeit aller
sichtbaren Dinge”. Der Kirchenvater Augustinus bezeichnet das
Licht als die geistige Wirklichkeit, die das Universum erschafft und
die zugleich den menschlichen Geist erhellt, damit er die
Wahrheit erkennen kann.
Das Thema Licht spielt in der christlichen Religion eine wichtige
Rolle. Dazu seien hier einige Beispiele angeführt.
•
Der Prolog des Johannesevangeliums bringt den göttlichen
Logos, aus dem alles Geschaffene hervorgeht, mit dem
Lebensprinzip des Lichtes in Verbindung: “In ihm war das
Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das
Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht
erfasst ... Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet,
kam in die Welt.” Dieses “wahre Licht” ist Jesus Christus, der
Erlöser.
•
Im ersten Johannesbrief heißt es: “Dies ist die Botschaft, die
wir von ihm gehört haben und euch verkünden: <Gott ist
Licht, und Finsternis gibt es nicht in ihm ... Wenn wir im Licht
beten, wie er im Licht ist, dann haben wir Gemeinschaft
miteinander> (1 Joh. 1,5ff.).
•
Det Höhepunkt der biblischen Lichttheologie ist die
Selbstaussage Jesu: “Ich bin das Licht, das in die Welt gekommen ist, damit jeder, der an mich
glaubt, nicht in der Finsternis bleibt” (Joh. 12,46).
Ganz besonders in der Stilepoche der Gotik spielt das Licht als Manifestation
des Göttlichen eine herausragende Rolle. Die Wände sollen aufgelöst und
durch bunte
Glasfenster ersetzt werden. Jeder Kirchenbau ist die
architektonische Umsetzung der Himmelsstadt, des
Himmlichen
Jerusalem (
Apokalypse des Johannes), jede Kirche ist die Pforte des
Himmels bzw. das Tor zum
Paradies. Ganz speziell trifft dies aber auf die Gotik
zu. In den Farben der Glasfenster sahen
die Menschen damals die funkelnde Pracht der
Edelsteinmauern dieses Himmlischen Jerusalem.
Buntglas war im Mittelalter ähnlich teuer wir
Edelsteine. Abt Suger, der Bauherr der ersten
gotischen Abteikirche von Saint-Denis bei Paris (um
1140), ließ bei der Grundsteinlegung des Chores
tatsächlich Gemmen und Edelsteine in die
Grundmauern einbauen. Edelsteinen schrieb man
heilende Kräfte und abwehrende Macht zu.
Edelsteine kommen aus dem Dunkel des Berges,
erst das Licht bringt sie zum Leuchten und im Licht können sie ihre Farbenpracht entfalten.
Himmlisches Jerusalem (
Apokalypse des Johannes 21)
Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, aus dem Himmel von Gott
herabkommen, bereitet wie eine für ihren Mann geschmückte Braut ...
Und er führte mich im Geist hinweg auf einen großen und hohen Berg und
zeigte mir die heilige Stadt Jerusalem, wie sie aus dem Himmel von Gott
herabkam, und sie hatte die Herrlichkeit Gottes. Ihr Lichtglanz war gleich einem
sehr kostbaren Edelstein, wie ein kristallheller Jaspisstein; und sie hatte eine
große und hohe Mauer und hatte zwölf Tore und an den Toren zwölf Engel und
Namen darauf geschrieben, welche die der zwölf Stämme der Söhne Israels
sind: Nach Osten drei Tore und nach Norden drei Tore und nach Süden drei Tore
und nach Westen drei Tore. Und die Mauer der Stadt hatte zwölf Grundsteine
und auf ihnen zwölf Namen der zwölf
Apostel des
Lammes.
Und die Stadt ist viereckig angelegt, und ihre Länge ist so große wie die Breite ...
Und der Bau der Mauer war Jaspis und die Stadt reines
Gold, gleich reinem
Glas. Die Grundsteine der Mauer der Stadt waren mit jeder Art Edelstein
geschmückt... Und die Stadt bedarf nicht der
Sonne noch des
Mondes,
damit sie ihr scheinen; denn die Herrlichkeit Gottes hat sie erleuchtet, und ihre
Lampe ist das
Lamm ...