© Anton Prock 2016
Methodik Methodik KIRCHENRUNDGANG
Wie kann ich eine Kirchenführung für SchülerInnen verschiedenen Alters gestalten? Sicher eine Herausforderung. Leider ist es heute so, dass in vielen Familien der Glaube keine bedeutende Rolle mehr spielt und damit auch der Besuch des Gottesdienstes stark abnimmt. Die Aufgabe zur Vermittlung des Glaubens fällt dann der Schule zu. Es ist ein sensibles Thema, ist doch das Ziel entweder die Festigung des Glaubens oder das Heranführen an den Glauben. 1. Welche Ziele möchte die Lehrperson mit dem Besuch einer Kirche verfolgen? Zuerst geht es einmal darum, was eine Kirche eigentlich ist. Dazu gibt es verschiedene Antworten, wie etwa die Kirche als Versammlungsraum der gläubigen Gemeinde, Wohnort Gottes, Zuhause für alle Christen, Stätte von Gottes Gegenwart etc. Im Sinne des christlichen Jerusalems (Apokalypse des Johannes, Offb 21-11-15) ist eine Kirche Symbol für die Himmelsstadt, der Eingang zum Paradies, das Paradies selbst. Danach erfolgt das Kennenlernen einer Kirche außen und innen. Die Kinder und Jugendlichen müssen erst lernen, was die vielen Bilder, Statuen, Altäre, heiligen Geräte etc. bedeuten und welche Aussagen sich mit ihnen verknüpfen. Dazu ist viel theologisches Grundwissen nötig, das für die SchülerInnen entsprechend reduziert werden muss. In diesem Zusammenhang ist auch zu klären, warum Kirchen grundsätzlich prächtig ausgestattet sind. Die Antwort ist der berühmte Satz „Alles zur höheren Ehre Gottes“. Kirchen sind der Stolz der Dorfgemeinde oder der Bürgerschaft einer Stadt. Sie zeigen die Einstellung zum Glauben und den Reichtum einer Siedlung oder eines Gebietes. Denken wir in Tirol etwa an die Bergbaukirchen der Gotik in Schwaz, Rattenberg, Imst, Landeck und Jenbach, finanziert mit den Bodenschätzen des Landes. Gotteshäuser sind auch immer in im historischen Kontext ihrer Entstehungszeit zu sehen. Der Barock etwa ist der große Stil der Gegenreformation, das Volk sollte mit Hilfe der Prachtentfaltung vom katholischen Glauben als den einen wahren Glauben überzeugt werden. Hier geht es um das Schauen, Staunen und Bewundern, das Wirken auf die Sinne. Schwer zu übermitteln ist sicher das Religiöse und Mystische, das einem Kirchenraum innewohnt. Es geht ja um viel mehr als nur um Kunst. Dazu ist jedoch der Glaube nötig. Der Kirchenraum ist Zeichen für das Geheimnis und die Erhabenheit des Göttlichen. 2. Wie kann ich beim Besuch einer Kirche vorgehen? Betrachten wir zuerst einmal das Äußere. Kirchen sind Markierungspunkte in der Landschaft, sie sind meist schon von weitem zu sehen, der Turm mit den Glocken Fixpunkt. Der Kirchenbereich ist häufig von einer Mauer umgeben, die wiederum den Friedhof einschließt. Friedhof leitet sich vom althochdeutschen „frithof“ ab und bedeutet einen einge“fried“eten Bereich um die Kirche. Später ist daraus die Bedeutung „Hof des Friedens“ geworden. Was gibt es beim Rundgang um das Äußere der Kirche zu sehen? Verschiedene Architekturformen wie Portale, Fenster, Wandstützen, Wandgliederungen, das Dach etc., aber auch Gräber und Malereien. Hauptaugenmerk ist sicher auf die Fassade mit dem Hauptportal zu legen. Viele Kirchen sind geostet, der Eingang liegt im Westen, der Priesterchor mit dem Hochaltar im Westen. Hier steckt viel Symbolik dahinter. Christus wird gerne mit der Sonne verglichen, Sonne bedeutet Licht, Hoffnung und Leben, die Sonne geht im Osten auf. Der Westen ist der Bereich des Sonnenuntergangs, des Dunklen, der Toten, der Geister und Dämonen. Der gläubige Mensch betritt als Sünder das Gotteshaus von Westen, beichtet und bereut seine Sünden und schreitet auf den Hochaltar, auf Christus, zu. Wichtig ist auch die Symbolik beim Überschreiten der Schwelle des Kirchenportals . Die Schwelle trennt das Außen, den weltlichen Bereich, vom Innen, dem religiösen Bereich. Mit dem Überschreiten der Schwelle betrete ich eine ganze neue Welt, jene des mystischen Glaubens.  3. Nun befinden wir uns im Gotteshaus. Wie können wir beginnen? Begriffe wie Ehrfurcht und Stille sind vielen SchülerInnen heute fremd. Es muss ihnen erst gesagt werden, wie sie sich beim Betreten der Kirche zu verhalten haben. Dazu gehören das Abnehmen der Mütze bzw. Kappe, die Kniebeuge und das Kreuzzeichen. Die Lehrperson erklärt den SchülerInnen, warum diese Vorgänge üblich sind. Die Klasse bleibt zunächst hinten und setzt sich nieder. Es geht nun um das Schauen und das Betrachten, die SchülerInnen sollen den Raum einige Zeit, vielleicht 2 Minuten, auf sich wirken lassen. Auch das akustische Erfassen des Raumes kann durch Klatschen oder das Singen eines Liedes ermöglicht werden. Die SchülerInnen sollen sich drei Dinge merken, die ihnen besonders auffallen, und sollen nach Möglichkeit begründen, warum sie ihnen auffallen. Es ist oft ganz interessant, was die Kinder und Jugendlichen positiv oder negativ beeindruckt. Häufig fallen ihnen Details auf, die wir Erwachsene gar nicht bemerken. Anschließend erklärt die Lehrperson die Kirche mit ihren wichtigsten Teilen: Eingang, Orgelempore (Orgelchor), Langhaus, Kanzel, Altäre (Hauptaltar, Seitenaltäre, Volksaltar), Ambo (Lesepult), Kerzenständer, Stuck, Statuen, Deckenbilder (Fresken), Taufbecken, Kirchenbänke etc. Danach erhalten die SchülerInnen ein Arbeitsblatt mit verschiedenen Fragen (Vorschlage 8-10), die entweder allgemein gehalten oder speziell auf die besuchte Kirche orientiert sind. Vorschläge für solche Fragen: Wie viele Altäre sind in der Kirche? Im hinteren Bereich befindet sich eine Empore, eine Art Balkon – was steht dort? Wie viele große Deckenbilder sind vorhanden? Wie viele Stufen führen zum Hochaltar? Wie viele Engel sind auf der Kanzel abgebildet? Auf dem linken Seitenaltar stehen zwei Heilige, was halten sie in den Händen? Zum Ausfüllen des Arbeitsblattes müssen die SchülerInnen herumgehen. Grundsätzlich sollen die Arbeitsaufgaben auch jene Objekte beinhalten, die speziell für die besuchte Kirche wichtig sind. So sind etwa im Dom von Innsbruck das Mariahilfbild von Lucas Cranach d. Ä., das Grabmal von Erzherzog Maximilian III. dem Deutschmeister, die Kanzel und der Apostel Jakobus d. Ä. hervorzuheben, in der Notburgakirche in Eben am Achensee etwa Szenen aus dem Leben der Heiligen in den Deckenbildern, die Bodenplatte an der Stelle des einstigen Grabes der Heiligen und ihr Skelett im Hochaltar. Nützlich erweist sich auch ein kopierter Grundrissplan des Gotteshauses, in die SchülerInnen Objekte einzeichnen, wie etwa Eingangsportal, Seitenportal, Hochaltar, Kanzel, Orgel, etc. Nach dem Ausfüllen der Arbeitsunterlagen erklärt die Lehrperson exemplarisch einerseits Objekte, die in jeder Kirche vorhanden sind, andererseits solche, die für die besuchte Kirche besonders wichtig sind. Hier bitte klar eine Auswahl treffen und sich auf wenige Objekte beschränken. Was ist für Kinder und Jugendliche besonders interessant? Als Beispiele seien etwa der Aufbau eines Altars, der Tabernakel und seine Bedeutung, ein Altarbild, die Kreuzwegbilder, ein lustig dargestellter Kinderengel, ein Marienbild, das Auge Gottes, die Bedeutung einer Uhr etc. erwähnt. Einen besonderen Stellenwert werden die dargestellten Heiligen einnehmen. Zuerst geht es um die Erklärung, was ein Heiliger/eine Heilige ist, dann um die jeweilige Legende, aber auch um die Frage der Bedeutung, die Heilige für uns Gläubige haben. Jede Region hat ihre speziellen Heiligen. In Tirol kommen sehr häufig folgende Heilige vor: Georg, Florian, Josef, Barbara, Katharina, Margarethe, Nikolaus, Johannes Nepomuk, Antonius von Padua u. a. Heilige sind an ihren Attributen (Kennzeichen) zu bestimmen, die auf ihre Legenden und manchmal auch auf ihren Martertod hinweisen. Besonders häufig sind in Kirchen die 12 Apostel, die 4 Evangelisten, die 4 Kirchenväter und die 3 göttlichen Tugenden in Form von Decken-, Altarbildern und Statuen abgebildet. Für ein tieferes Verständnis einer Kirche wäre noch das Eingehen auf gewisse kunsthistorische Aspekte wichtig, was eher für ältere Jugendliche in Betracht gezogen werden kann. Dazu gehören das Erkennen, Beschreiben und zeitliche Einordnen der abendländischen Baustile (in Tirol vor allem der Gotik, des Barock/Rokoko und des Nazarenerstils im 19. Jh.) sowie die Erklärung bestimmter Fachausdrücke (Stuck, Fresko, Sekko, Marmor etc.). Lässt sich ein Bezug der Kirche zur Geschichte des Landes, zu bestimmten historischen Personen oder historischen Ereignissen darstellen? Ein berühmtes Beispiel dazu ist die Hofkirche in Innsbruck, die eng mit Kaiser Maximilian I. verbunden ist, jedoch nicht von ihm gebaut wurde. Kirchliche Gebäude und ihre Einrichtungen sind sehr oft Stiftungen von Gläubigen, wobei an solche Stifter häufig Grabmäler und Wappen erinnern. Bilder erzählen häufig Geschichten. In diesem Sinne kann etwa eine Darstellung der Geburt Christi, der Anbetung der Heiligen Drei Könige oder der Gefangennahme Jesu als Bildgeschichte besprochen werden. Die Schüler müssen sich dabei verbal ausdrücken, können aber ihre Geschichte auch schriftlich niederlegen. Ja sogar das Nachzeichnen, Nachstellen und Nachspielen ist möglich. Damit wäre ein fächerübergreifender Aspekt möglich. Bevor das Gotteshaus verlassen wird, soll noch einmal der religiöse Aspekt betont werden: ein Lied, ein Gebet, ein kurzes Innehalten, ein Dank, eine Bitte etc. Erst dann geht die Klasse gemeinsam und still hinaus. 4. Was soll am Ende vom Kirchenbesuch bleiben? Je nach Altersstufe wird die Lehrperson verschiedene Schwerpunkte legen. Bei einem öfteren Besuch einer bestimmten Kirche kann aufgrund der vorhandenen Darstellungen auf das Kirchenjahr eingegangen werden. Die Lehrperson gestaltet ein zusammenfassendes Arbeitsblatt oder einen Tafeltext. Die SchülerInnen sollen sich einiges über die besuchte Kirche merken, das muss nicht viel sein. Vielleicht können wir erreichen, dass die SchülerInnen 3-5 Objekte in der Kirche erklären können und sich einige wichtige Fakten merken und für ihre Eltern oder anderen Verwandten und Freunden eine kurze Kirchenführung durchführen wollen. Dadurch erhalten die SchülerInnen einen Bezug zu „ihrer“ Kirche und geben ihr Wissen gerne weiter. Dieses Basiswissen kann erweitert und ausgebaut werden. Es ist sicher ein Erfolg, wenn die Kinder und Jugendlichen in der besprochenen Kirche etwa einen hl. Florian kennenlernt haben und aufgrund der Attribute einen solchen auch in einer anderen Kirche erkennen.