© Anton Prock 2016
Historismus (ca. 1820-ca. 1890) Historismus (ca. 1820-ca. 1890) KIRCHENRUNDGANG
Von ca. 1820/30 bis ca. 1890 spricht man vom Historismus. In dieser Bewegung geht es auf einen Rückgriff auf schon vergangene Stile: Byzantinismus, Romanik, Gotik, Renaissance, Barock etc. und interpretiert sie neu. Daraus wird die Neo- bzw. Neuromanik, Neo- bzw. Neugotik etc. Häufig werden Stilelemente aus verschiedenen Epochen vermischt. In Österreich ist dies die Epoche von Kaiser Franz Joseph I. (regiert 1848 bis 1916). Der zuerst streng absolutistische Kaiser muss im Laufe der Jahrzehnte immer mehr an Macht an das Bürgertum abgeben. Es entstehen die großen Arbeiterbewegungen im Sinne des Sozialismus. Ein ernstes Problem stellen die vielen verschiedenen Nationalitäten im Kaisertum Österreich dar, was 1867 zum Ausgleich Österreich- Ungarn und zur Gründung der Doppelmonarchie führt. Vor allem der Neobarock soll an den Barock als die große Zeit der Habsburger erinnern. Allerdings dringen der langsame Untergang der Monarchie und die damit verbundene Selbständigkeit der verschiedenen Völker immer mehr durch. So wird der Historismus in Österreich letztendlich zum Abglanz einer schon längst vergangenen Epoche. Die Epoche des Historismus fällt auch mit der sogenannten Gründerzeit zusammen, worunter man den wirtschaftlichen Aufschwung und die Gründung zahlreicher Industrien, Firmen und Fabriken versteht. Verbunden damit ist die Entstehung einer neuen Bevölkerungsschichte, der wohlhabenden Neureichen, die teilweise die Lebensweise des Adels nachahmen. Viele von ihnen sind Juden. In der Architektur kommen neben den traditionellen Bauaufgaben wie Kirchen, Klöster, Kapellen, Schlösser, Palais, Wohnhäuser etc. als neue Herausforderungen Museen, Bahnhöfe, Ausstellungshallen (etwa für die großen Weltausstellungen), Brücken, Palmenhäuser u. a. dazu. Neue Baumaterialien sind Eisen und Stahl sowie Glas. Paradebeispiel für den Historismus in Österreich ist die Ringstraße in Wien, begonnen ab 1857 und beendet mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs. Die über fünf Kilometer lange Prachtstraße ist ein Disneyland der Architektur, eine letzte Illusion der Größe der Habsburger. Wie im Historismus üblich, zeigen die Stile, in denen bestimme Bauten errichtet werden, Verbindungen zur Vergangenheit und eine gewisse Symbolik. Die Votivkirche ist im Stil der Neogotik errichtet, denn die Gotik war die große Zeit der Kathedralenbauten aber auch des aufstrebenden Bürgertums in den Städten des Mittelalters, wie das Rathaus zeigt. Universität, Staatsoper und Burgtheater erinnern an die Größe der Wissenschaft und der Oper in der Renaissance und im Barock. Das Parlament im neugriechischen Stil weist auf Griechenland als Heimat der Demokratie hin. Gerade in Tirol entstanden wurden im 19. Jh. zahlreiche Kirchen innen umgestaltet bzw. überhaupt neu erbaut. Als Beispiele können in Innsbruck die Herz-Jesu-Kirche (Neuromanik, Neubyzantinismus), die St.-Nikolaus-Kirche (Neugotik), die Pradler-Kirche (Neuromanik) angeführt werden. Häufig wurde das Kircheninnere im sogenannten Nazarenerstil umgestaltet, was vor allem an der Malerei zu erkennen ist. Dabei geht es um eine romantisch-religiöse Erneuerung der Kunst auf religiöser Grundlage als Antwort auf den erstarrten akademischen Klassizismus. Ursprünglich war „Nazarener“ ein Spottname wegen der Haartracht der Mitglieder des 1809 in Wien von Malern der Wiener Akademie gegründeten Lukasbundes. Sie nahmen das in der Mitte gescheitelte, lange Haar von Jesus von Nazareth als Vorbild. Da sie sich in Wien jedoch nicht durchsetzen konnten, zogen einige dieser Künstler nach Rom, traten dort 1813 zum Katholizismus über und wählten die Bezeichnung „Nazarener“ zu ihrem Ehrennamen. Vorbilder waren die deutsche Malerei des 16. Jh. und die frühe italienische Hochrenaissance. Sowohl Raffael als auch Albrecht Dürer waren dieser Haartracht verbunden. Als Kennzeichen dieses Nazarenerstils können angeführt werden: klare und konturierte Formen, Vorherrschen der Zeichnung gegenüber der Farbe, Farbe soll Szenen verinnerlichen und vergeistigen, Ruhe, Innerlichkeit, Landschaften häufig romantisch verklärt, geringe räumliche Tiefenwirkung, starke Kulissenhaftigkeit, oft auch Oberflächlichkeit und sehr einfache Gestaltung.