© Anton Prock 2016
Ab ungefähr 1890 lässt sich eine starke Tendenz zur
Loslösung von Althergebrachtem und zur
Forderung nach mehr Freiheit in der Kunst
bemerken. Künstler wie Gustav Klimt, die ihre
Ausbildung an der Akademie nach alten Vorgaben
absolviert haben, brechen aus dieser Beengtheit,
wie sie es sehen, aus.
In Wien wird 1897 die Wiener Secession
(”Abspaltung”) gegründet: Es geht um Freiheit in
der Kunst, um die
Loslösung von den akademischen Regeln. Gerade in Wien fließt sehr stark
der Einfluss von Sigmund Freud in die Kunst und Literatur ein. Freud
befasste sich intensiv mit der menschlichen Psyche, dabei vor allem mit den
Themen Traum, Sexualität und dem Unbewussten.
Allgemein wird die Bewegung als Art Nouveau bezeichnet, wobei es
verschiedene regionale Ausformungen gibt. In Wien spricht man vom
Jugendstil.
In der Architektur werden kostbare Materialien wie edle Holzsorten und
Marmor sowie Metall verwendet. Ornament und Dekoration sind die
verbindenden Elemente. Man muss beim Ornament zwischen den streng
geometrischen Formen (Kreis, Quadrat, Rechteck etc.) und den freien Formen (geschwungene Linien,
Blumenranken, wellenartige Formen etc.) unterscheiden. Wellen, Flammen, Blumenranken etc. sind
immer wieder zu finden. Häufig tritt eine klare Gliederung, gepaart mit klassizistischer Strenge, auf.
Da es sich beim Jugendstil um ein
Gesamtkunstwerk handelt, bilden Architektur,
Malerei, Plastik, Ausstattung, Mobiliar,
Geschirr etc. eine Einheit. Kostbare
Alltagsgegenstände und
Gebrauchsgegenstände werden etwa in der
Wiener Werkstätte hergestellt.
Führend in Österreich sind die Bauwerke von
Otto Wagner. Er ist in seiner Frühphase dem
Historismus verhaftet, bricht aber um 1895
damit und geht zum Jugendstil über. Neben der Verwendung von kostbaren Materialien zählen für ihn
auch die Kosten-Nutzen-Frage, praktische Bedürfnisse und ein
Aufzeigen der Konstruktion. Gute Architektur soll nicht nur
Schönheit ausdrücken, sondern auch einen praktischen Nutzen
haben. Im Historismus und den vorherigen Baustilen wurde die
Konstruktion eines Bauwerks meist durch Ornament verhüllt,
Architektur sollte „schön“ sein. Wagner zeigt nun die
notwendigen Konstruktionselemente eines Baus und sieht darin
„Schönheit“. Ein Kunstkritiker prägte den Satz: „Der Zweck der
Kunst liegt nicht in der Schönheit, sondern die Schönheit liegt
im Zweck.” Als Beispiel sei hier angeführt, dass Otto Wagner bei
der Kirche am Steinhof und bei der Postsparkasse zum
Befestigen der Marmorplatten Aluminiumnägel benötigte. Diese
werden nicht durch Ornament verhüllt, denn sie haben einen bestimmten Zweck und erlangen dadurch
„Schönheit“.
Beispiele des österreichischen Jugendstils sind etwa die
Stadtbahnstationen am Karlsplatz in Wien, das Postsparkassenamt an
der Wiener Ringstraße, die Wohnhäuser Linke Wienzeile 38 und 40
sowie die Kirche am Steinhof in Wien, alles Werke von Otto Wagner.
Dazu gehören auch das Gebäude der Wiener Secession von Joseph
Maria Olbrich und das Palais Stoclet in Brüssel von Josef Hoffmann.
Jugendstilelemente sind ebenso an vielen Wohnbauten in jenen
Innsbrucker Stadtviertel zu finden, die um die Jahrhundertwende
entstanden sind, etwa in Wilten und Pradl, besonders jedoch im
Saggen.