© Anton Prock 2016
Jugendstil (ca. 1890-ca. 1914) Jugendstil (ca. 1890-ca. 1914) KIRCHENRUNDGANG
Ab ungefähr 1890 lässt sich eine starke Tendenz zur Loslösung von Althergebrachtem und zur Forderung nach mehr Freiheit in der Kunst bemerken. Künstler wie Gustav Klimt, die ihre Ausbildung an der Akademie nach alten Vorgaben absolviert haben, brechen aus dieser Beengtheit, wie sie es sehen, aus. In Wien wird 1897 die Wiener Secession  (”Abspaltung”) gegründet: Es geht um Freiheit in der Kunst, um die Loslösung von den akademischen Regeln. Gerade in Wien fließt sehr stark der Einfluss von Sigmund Freud in die Kunst und Literatur ein. Freud befasste sich intensiv mit der menschlichen Psyche, dabei vor allem mit den Themen Traum, Sexualität und dem Unbewussten. Allgemein wird die Bewegung als Art Nouveau bezeichnet, wobei es verschiedene regionale Ausformungen gibt. In Wien spricht man vom Jugendstil. In der Architektur werden kostbare Materialien wie edle Holzsorten und Marmor sowie Metall verwendet. Ornament und Dekoration sind die verbindenden Elemente. Man muss beim Ornament zwischen den streng geometrischen Formen (Kreis, Quadrat, Rechteck etc.) und den freien Formen (geschwungene Linien, Blumenranken, wellenartige Formen etc.) unterscheiden. Wellen, Flammen, Blumenranken etc. sind immer wieder zu finden. Häufig tritt eine klare Gliederung, gepaart mit klassizistischer Strenge, auf. Da es sich beim Jugendstil um ein Gesamtkunstwerk handelt, bilden Architektur, Malerei, Plastik, Ausstattung, Mobiliar, Geschirr etc. eine Einheit. Kostbare Alltagsgegenstände und Gebrauchsgegenstände werden etwa in der Wiener Werkstätte hergestellt. Führend in Österreich sind die Bauwerke von Otto Wagner. Er ist in seiner Frühphase dem Historismus verhaftet, bricht aber um 1895 damit und geht zum Jugendstil über. Neben der Verwendung von kostbaren Materialien zählen für ihn auch die Kosten-Nutzen-Frage, praktische Bedürfnisse und ein Aufzeigen der Konstruktion. Gute Architektur soll nicht nur Schönheit ausdrücken, sondern auch einen praktischen Nutzen haben. Im Historismus und den vorherigen Baustilen wurde die Konstruktion eines Bauwerks meist durch Ornament verhüllt, Architektur sollte „schön“ sein. Wagner zeigt nun die notwendigen Konstruktionselemente eines Baus und sieht darin „Schönheit“. Ein Kunstkritiker prägte den Satz: „Der Zweck der Kunst liegt nicht in der Schönheit, sondern die Schönheit liegt im Zweck.” Als Beispiel sei hier angeführt, dass Otto Wagner bei der Kirche am Steinhof und bei der Postsparkasse zum Befestigen der Marmorplatten Aluminiumnägel benötigte. Diese werden nicht durch Ornament verhüllt, denn sie haben einen bestimmten Zweck und erlangen dadurch „Schönheit“. Beispiele des österreichischen Jugendstils sind etwa die Stadtbahnstationen am Karlsplatz in Wien, das Postsparkassenamt an der Wiener Ringstraße, die Wohnhäuser Linke Wienzeile 38 und 40 sowie die Kirche am Steinhof in Wien, alles Werke von Otto Wagner. Dazu gehören auch das Gebäude der Wiener Secession von Joseph Maria Olbrich und das Palais Stoclet in Brüssel von Josef Hoffmann. Jugendstilelemente sind ebenso an vielen Wohnbauten in jenen Innsbrucker Stadtviertel zu finden, die um die Jahrhundertwende entstanden sind, etwa in Wilten und Pradl, besonders jedoch im Saggen.